Horner Spitze: Wochen der Entscheidungen – und des Widerstands
Die vergangenen Wochen waren für unseren Verein, die Anwohner:innen und viele Unterstützer:innen aus der Bürgerinitiative, Zivilgesellschaft, dem Umwelt- und Bildungsbereich von großer Anspannung, aber auch beeindruckender Solidarität geprägt. Der politische Druck auf eine Bebauung der Horner Spitze nimmt spürbar zu – und damit auch die Dringlichkeit, öffentlich auf die gravierenden Schwächen der bisherigen Planungen aufmerksam zu machen.
Ein bemerkenswerter Punkt gleich zu Beginn: Die Ersteller der Untersuchung haben es sogar versäumt, die Stadtteilgrenzen korrekt zu beachten. Sie gingen zunächst davon aus, dass nur der Stadtteil Horn-Lehe und damit der dortige Beirat betroffen sei. Tatsächlich liegt ein Teil der geplanten Gewerbefläche – insbesondere das Grundstück der Gärtnerei Vogt – im Stadtteil Schwachhausen. Dieses Versäumnis wurde erst auf der Beiratssitzung in Schwachhausen öffentlich, als der dortige Beiratssprecher intervenierte. Ein weiteres Beispiel für die mangelnde Sorgfalt und Transparenz der bisherigen Planung.














Vorstellung der Machbarkeitsstudie – viele Fragen offen
Am 20. März und 27. März wurde die sogenannte „Machbarkeitsuntersuchung“ zur geplanten Umwandlung der Horner Spitze in ein Gewerbegebiet erstmals öffentlich vorgestellt – zunächst im Beirat Horn-Lehe, anschließend im Beirat Schwachhausen. Die Sitzungen waren außergewöhnlich stark besucht. Bürger:innen saßen dicht gedrängt, teils standen sie auf den Gängen. Das Signal war klar: Es gibt massiven Widerstand in der Bevölkerung.
Trotzdem blieben viele der in den letzten Jahren immer wieder vorgetragenen Einwände unbeantwortet oder wurden gänzlich ignoriert. Besonders auffällig: Weder wurde der Verein Kinder, Wald und Wiese Bremen e.V. angemessen einbezogen – im Rahmen der Machbarkeitsuntersuchung fand nicht ein einziger Besuch des Vereinsgeländes statt! Noch wurde das umweltpädagogische Konzept evaluiert oder die tatsächlichen Bedarfe des Vereins erfasst.
Die Erreichbarkeit, Flächennutzung und pädagogischen Konzepte des Vereins wurden – nachweislich – nicht oder nur sehr oberflächlich berücksichtigt. Offensichtlich wird dies bereits daran, dass die Machbarkeitsuntersuchung von einer Nutzung durch den Verein von lediglich 3.500 m² spricht. Tatsächlich nutzt der Verein eine Fläche von über 35.000 m².
Petitionsausschuss: Starkes Zeichen draußen- schwacher Auftritt drinnen
Am 25. April fand die Anhörung im Petitionsausschuss der Bremischen Bürgerschaft statt. Draußen versammelten sich über 400 Menschen – darunter viele Kinder, Jugendliche und Familien – zu einer eindrucksvollen Demonstration. Drinnen blieben die Reaktionen der Abgeordneten jedoch verhalten. Fragen nach fehlenden Daten, widersprüchlichen Kostenprognosen und der Missachtung ökologischer Standards wurden kaum aufgegriffen. Die Petition ist weiterhin offen – aber es wurde deutlich: Die politische Entscheidung rückt näher.
Faktencheck: Fehlende Daten, überzogene Versprechen
Ein Blick in die Machbarkeitsuntersuchung zeigt erhebliche Schwächen:
Flächennutzung durch Kinder Wald und Wiese: Die Studie geht von nur 3.500 m² Vereinsnutzung aus – tatsächlich sind über 35.000 m² in pädagogischer und naturnaher Nutzung auf der Horner Spitze belegt.
Arbeitsplatzprognosen: Die Studie kommt zu der sehr optimistischen Schätzung von 610 Arbeitsplätzen, die auf der Horner Spitze insgesamt entstehen könnten. Auf welcher Datenlage diese Schätzung basiert, bleibt unklar. Im bestehenden Technologiepark wird mit 12.000 Arbeitsplätzen auf 174 Hektar geworben – das entspricht rechnerisch etwa 69 Arbeitsplätzen pro Hektar. Hochgerechnet auf die Horner Spitze ergibt sich so ein realistisches Potenzial von ca. 300 Arbeitsplätzen bei 4 ha nutzbarer Fläche – bis maximal 414 Arbeitsplätze bei 6 ha.
Aus den Reihen der SPD-Bürgerschaftsfraktion wurden öffentlich sogar Fantasiezahlen von bis zu 600 Arbeitsplätzen pro Hektar kolportiert. Zur Einordnung: Das würde Bremen eine Arbeitsplatzdichte bescheren, die höher liegt als im Tesla-Hauptwerk in Fremont (USA, ca. 66,7 Arbeitsplätze/ha) – und weltweit nur noch von Foxconn in China übertroffen wird, wo auf dem Werkgelände für die iPhone-Produktion rund 1.666 Arbeitsplätze/ha entstehen. Diese Zahlen sind für ein städtisches Gewerbegebiet in Bremen vollkommen unrealistisch.
Kosten: Die MU kalkuliert mit offiziell 17,4 Mio. €. Reale Kostenschätzungen jedoch bewegen sich zwischen 22–30 Mio. €, insbesondere durch schwierige Bodenverhältnisse und den geplanten Tunnelbau unter der Bahnlinie. Vergleichbare Untertunnelungen in Oberneuland kosteten jeweils bis zu 12 Mio. Euro – bei ähnlicher Bodenbeschaffenheit. Auf der Horner Spitze sollen diese Kosten laut Studie angeblich bei nur 5 Mio. € liegen – eine äußerst zweifelhafte Annahme.
Verfügbarkeit der Gewerbefläche: Auch die genaue Größe der tatsächlich zur Verfügung stehenden Gewerbefläche bleibt unklar. Die Ersteller der Machbarkeitsuntersuchung selbst weisen darauf hin, dass die Eigentumsverhältnisse an Teilen des Geländes – insbesondere dem Grundstück der Gärtnerei Vogt – bislang nicht geklärt sind. Ebenso ungewiss ist die zukünftige Nutzung der angrenzenden BSAG-Wendeschleife. Es könnten zwischen 4 und bestenfalls 6 Hektar zur Verfügung stehen. Sollte die Stadt das Grundstück der Gärtnerei (ca. 0,6 Hektar) erwerben wollen, kämen noch erhebliche finanzielle und verfahrenstechnische Risiken beim Ankauf hinzu.
Erreichbarkeit: Die vorgeschlagene Ersatzfläche für den Verein (alter Campingplatz am Uni-See) ist isoliert, schlecht angebunden und sicherheitstechnisch problematisch. Sie ist für Kinder und Jugendliche weder fußläufig erreichbar noch verkehrlich erschlossen. Die nächste Wohnbebauung liegt rund 2 km entfernt. Der Verein bietet am jetzigen Standort tägliche Programme für Schulklassen, Kitas und Familien – ein hoher Anteil der Besucher:innen kommt aus der unmittelbaren Nachbarschaft.
Klimaschutz & Ökologie: Die geplante Versiegelung würde geschützte Biotope, Amphibienwanderwege und Vogelbruträume vernichten. Der Verlust der Kaltluftschneise widerspricht allen klimapolitischen Zielen der Stadt Bremen. Die MU benennt diese Risiken, verweist jedoch lediglich auf „künftige Untersuchungen“, deren Zeitpunkt unklar bleibt. Eine konkrete Folgenabschätzung fehlt.
Fazit: Keine seriöse Grundlage für ein solches Projekt
Was derzeit als „Machbarkeit“ bezeichnet wird, offenbart bei genauer Prüfung eine Vielzahl an Versäumnissen und Fehleinschätzungen. Die Diskussion um die Horner Spitze hat sich längst zu einer Grundsatzfrage entwickelt: Welche Prioritäten setzt Bremen in einer Zeit multipler Krisen?
Klimawandel, soziale Ungleichheit und der Bedarf an Bildung und Teilhabe sind die Herausforderungen unserer Zeit. Der Verein Kinder, Wald und Wiese steht genau dafür. Eine Verdrängung dieses Angebots an den Rand der Stadt wäre ein Rückschritt – ökologisch, bildungspolitisch und gesellschaftlich.
Wir fordern eine echte Neubewertung – ökologisch, wirtschaftlich und sozial.