Kinder Wald und Wiese weiter in Gefahr!

Offener Brief des Aktionsbündnisses Horner Spitze an die Landesvorsitzenden von SPD, CDU, Grünen und Linken sowie Abgeordnete der Bremer Bürgerschaft, Bürgermeister und Senator:innen der Freien Hansestadt Bremen und die Beiräte Horn-Lehe und Schwachhausen

Wir fordern: Keine Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Politik bei der Gewerbeflächenentwicklung – Horner Spitze erhalten und Sachargumente endlich zur Kenntnis nehmen!

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor wenigen Tagen haben der Senat und die Parteien der Regierungskoalition mit der CDU-Bürgerschaftsfraktion das Ziel verabredet, bis 2027 mindestens 60 ha Gewerbeflächen verfügbar zu machen. Immer wieder wird von der Politik und der Presse die naturnahe Wiesenfläche „Horner Spitze“ als konkretes Beispiel genannt. Wir fordern Sie als Abgeordnete der Bürgerschaft, als Mitglieder der Regierung und als Mitglieder der zuständigen Ortsbeiräte auf, sich endlich angemessen der Tatsache zu stellen, dass die Horner Spitze aus einer Reihe sehr schwerwiegender, aber schon hinlänglich bekannter Gründe als Gewerbegebiet völlig ungeeignet ist und ihre Bebauung sehr weitreichende negative Folgen für die Stadtteile Horn-Lehe und Schwachhausen hätte. Nehmen Sie Ihre politische Verantwortung für eine ausgewogene Stadtentwicklung wahr!

Wir erinnern Sie daran, dass zentrale Aspekte der Lebensqualität, der Qualität von Stadtentwicklung, des Naturschutzes, sozialer Belange, der Klimapolitik und der Nachhaltigkeit bei dieser Planung völlig unbeachtet bleiben, obwohl sie bereits jetzt bekannt und auch zum Teil durch Fachplanungen abgesichert sind.

Die Fläche „Horner Spitze“ ist integraler Bestandteil eines Grünzugs, der den Bürgerpark mit dem Riensberger Friedhof verbindet, und der gerade in seiner Gesamtheit eine erhebliche Bedeutung als größerer zusammenhängender Lebensraum besitzt – insbesondere für Vögel, Fledermäuse, Insekten sowie Amphibien. Bereits jetzt ist bekannt, dass diese kleine Fläche Lebensraum für sehr unterschiedliche, zum Teil seltene und geschützte Arten bietet. Dies gilt in besonderem Maße für die Amphibienbestände und für die Fledermäuse. Dieses Spektrum an Arten gehört genau zu dem, welches im letzten, sehr pessimistischen Rechenschaftsbericht der Bundesregierung zur deutschen Biodiversitätsstrategie (2021) als besonders bedroht behandelt wird. Klar benannt wird dort auch, wer die Verantwortung für den Erhalt trägt: die kommunale Politik – also Sie! Eine großflächige Bebauung als Eingriff in den ökologischen Wert der Fläche ist nicht kompensierbar.

Der Grünzug insgesamt wirkt auch als bedeutende Frischluftschneise für die benachbarten Stadtteile – ausdrücklich benannt im Bremer Landschaftsprogramm (2015). Dieser Schutz gegen Hitzewellen wird als Klimaanpassungsmaßnahme in Zukunft extrem wichtig. Im Enquetebericht zur Klimaschutzstrategie 2030 (2021) haben sich deshalb alle beteiligten Fraktionen im Konsens ausdrücklich zum Erhalt dieser Frischluftschneisen bekannt.

Gleichzeitig erfüllt die Horner Spitze zusammen mit dem umgebenden Gebiet wichtige soziale Funktionen für die Stadtbevölkerung: als Naherholungsgebiet, als Ort für Freizeitaktivitäten, als Kleingartengebiet mit Anbau zur Selbstversorgung, als Begegnungsstätte und Rückzugsmöglichkeit.

Ganz wichtig ist, dass die Horner Spitze für das vollständig ehrenamtliche (!) umweltpädagogische Angebot des Vereins „Kinder, Wald und Wiese Bremen“ genutzt wird – ein Freizeitzeitangebot für Kinder und Jugendliche aus den benachbarten Stadtteilen, eingebunden in Kooperationen mit Schulen. Die Tätigkeit schafft nicht nur ein wertvolles, günstig zu erreichendes, bewegungsorientiertes Angebot – sie ist auch einer der identitätsprägenden zivilgesellschaftlichen Ankerpunkte für den sozialen Zusammenhalt und das ehrenamtliche Engagement in den benachbarten Stadtteilen.

Mit Blick auf diese wichtige Arbeit von „Kinder, Wald und Wiese Bremen“ hat die Regierungskoalition sich festgelegt, die Horner Spitze nur als Gewerbegebiet zu erschließen, falls es eine geeignete und erreichbare Ersatzfläche gibt, auf der der Verein seine Arbeit fortsetzen kann. Der Sachstand ist: es gibt keine solche Alternative. Mehrfach wurde das Gelände des ehemaligen Campingplatzes in der Nähe des Uni-Sees ins Spiel gebracht. Dieses Gelände wird jetzt für andere soziale Träger mit erheblichen öffentlichen Mitteln zu einem hochwertigen Gelände für die Jugendarbeit umgebaut. Eine Begehung zusammen mit der Wirtschaftsförderung hat gezeigt: für die Arbeit von „Kinder, Wald und Wiese Bremen“ ist das Gelände ungeeignet, es wäre zu klein und es wird durch die Aktivitäten der anderen Träger bereits vollständig genutzt. Weitere konkrete Initiativen für eine Ersatzfläche gab es nicht. Durch öffentliche Bemerkungen ins Spiel gebracht wurde das neben dem alten Campingplatz gelegene größere Gelände der Uni-Wildnis. Nur: auf diesem Gelände gibt es ebenfalls ehrenamtliches Engagement, es handelt sich zudem um einen Wald mit Wasserflächen – bestehende Natur müsste also erst zerstört werden, um für Jugendarbeit mit Tieren genutzt zu werden. Insgesamt sind damit keine erfolgsversprechenden Anstrengungen zur Beschaffung einer Ersatzfläche unternommen worden. Öffentliche Hinweise auf die beiden genannten, eindeutig ungeeigneten Flächen können nur als Versuch der Irreführung verstanden werden. Wir fordern von der Politik, diesen Sachstand anzuerkennen und die Fortführung der wichtigen Arbeit von „Kinder, Wald und Wiese Bremen“ auf der jetzigen Fläche abzusichern.

Als Gewerbefläche ist die Horner Spitze zudem ungeeignet und ihre verkehrliche Erschließung wäre unverhältnismäßig teuer: die nur 4ha kleine Fläche liegt abgetrennt vom bisherigen Technologiepark auf der anderen Seite der Bahnlinie Hamburg-Bremen. Erforderlich wäre eine technisch wie finanziell sehr aufwändige Unterführung. Die vergleichbaren Projekte der Deutsche Bahn in Oberneuland entlang derselben Bahnlinie haben in den Jahren 2013 bis 2019 ca. 18 Mio. € je Bauwerk gekostet – und inzwischen sind die Baukosten erheblich gestiegen. Und dann wäre noch kein einziger Quadratmeter der eigentlichen Fläche vorbereitet. Für die von der Wirtschaft selbst genannten Bedarfe – rasch verfügbare, größere zusammenhängende Flächen z.B. für Logistik – ist die Horner Spitze zu klein und auch verkehrlich zu abgelegen. Ganz offensichtlich drohen unsinnig hohe Erschließungskosten für eine sehr kleine und hinsichtlich der möglichen Nutzung begrenzten Fläche.

Unser Fazit: Gewerbeflächenpolitik muss mit zukunftsfähiger Stadtentwicklung verträglich sein und darf sich nicht über alle berechtigten Sachargumente hinwegsetzen. Genau das aber droht bei der Horner Spitze – eine Erschließung, um an ungeeigneter Stelle Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, ungeachtet aller deutlich belegbaren negativen Folgen für Natur, Lebensqualität, soziales Engagement und Klimabelange sowie nicht zuletzt für den öffentlichen Haushalt. Wir erwarten von Ihnen: Stellen Sie sicher, dass diese Fläche nicht als Gewerbefläche erschlossen wird, sondern dass die bestehende sensible, wechselseitig verträgliche Nutzungsmischung aus Freizeit, Kleingärten, Umweltpädagogik, der Bewahrung von Naturgütern und der Funktion als Frischluftschneise dauerhaft abgesichert wird.

Das Aktionsbündnis „Rettet die Horner Spitze“ besteht aus dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Bremen, dem Verein KINDER, WALD und WIESE BREMEN, dem Kleingärtnerverein Schwachhausen, dem Kleingartenverein Kornblume und der Bürgerinitiative Horner Spitze.

Für das Aktionsbündnis mit freundlichen Grüßen

Christina Trinkhaus, Ben Hadler, Annika Mehr, Winfried Osthorst, Martin Rode, Michael Pohl, Inka Godau-Krmk, Gertrud Schumpp

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